Offener Lesekreis

Schilten

von Hermann Burger

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Labilen Lehrern dürfte es nach der Lektüre lausig gehen. Lehramtskandidaten raten wir, dieses Buch lieber links liegen zu lassen.
Hermann Burgers Romanerstling „Schilten“, 1976 erschienen und nun wieder neu aufgelegt, ist nicht nur ein an Kafka und Bernhard geschultes, virtuoses sprachliches Meisterwerk. Mit unvergleichlicher Intensität, immerzu schwankend zwischen Tragik und Komik, schildert der Schweizer Autor die Krankheits- und Todesgeschichte eines Lehrers.
Armin Schiltknecht ist Lehrer im abgelegenen Schweizer Dorf Schilten. Der Schulinspektor, an den sich der Lehrer mit jenem Bericht wendet, der den Roman darstellt, wird das Schulhaus nie erreichen.

Der ausbleibende Inspektor ist der Anlass dieses Monologs, den Schildknecht, der Knecht der Schiltener Verhältnisse, in einer von Wahn gekennzeichneten, aber auch wahnsinnig schöpferischen Sprache verfasst: Thema des Buches, wie des gesamten schriftstellerischen Schaffens Burgers, der 1989 den Freitod wählte, ist die Macht des Todes über das Leben. Symbolisch verdichtet ist dies in der engen Verfilzung von Friedhof- und Schul-Betrieb. Der an die Lehranstalt angrenzende Friedhof beeinträchtigt den Schulalltag massiv. Die Totenfeiern des Dorfes finden in der Turnhalle statt, Friedhof und Schule haben die gleiche Rufnummer, der Hausmeister arbeitet zugleich als Totengräber. Das gesamte Dorf, in dem Burger das Schweizer Urdorf an sich vermuten lässt, ist ein Reich des Todes. Leidend unter der Lehrerkrankheit, die der Autor als das innere Abgestorbensein einer mit Lumpen von leblosem Wissen behangenen Vogelscheuche beschreibt, reagiert Schildknecht darauf mit seiner aberwitzigen Todesdidaktik. Er vergibt Scheintoten-Praktika an seine Zöglinge, spielt mit den Schülern „Gräber-Rezitieren“ und unterrichtet sie in Nebelkunde; denn „Leben“ vom Ende gelesen ergibt „Nebel“. Als sich alle ehemaligen Schüler des Lehrers feierlich versammeln, wird endgültig klar, dass Schildknecht aufgrund einer Suspendierung seit Langem schon vor leeren Bänken unterrichtet hat. Das Fest in der Turnhalle, wie könnte es anders sein, ist seine eigene imaginierte Totenfeier. Burgers Absicht, den Leser derart in die Schiltener Verhältnisse zu ziehen, dass ihm schwindlig werde, beruht auf einem methodischen Trick: der gegenseitigen Maskierung von Wirklichkeit und Fiktion. Nie sei er glücklicher, hat der Sprachkünstler Burger in seiner Frankfurter Poetikvorlesung bekundet, als wenn es ihm gelänge, das Verrückte dank vorgetäuschter Recherchen als wirklich und die bare, aus irgendeinem Jahrbuch herauskopierte Realität als verrückt erscheinen zu lassen.

Quelle: http://www.berliner-zeitung.de/15196908 ©2016

 

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OrtHospizverein Konstanz
Talgartenstraße 2
78462 Konstanz
Datum23.02.2017
Zeit19:00 – 20:30
KostenEintritt frei, über Spenden zur Kostendeckung freuen wir uns sehr.
Kurzinfo zum BuchHermann Burger:
Schilten,
ISBN: 3760804217
Verlag Artemis
301 Seiten

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